Weg 2 Tafel 3 Kulturlandschaft und Mensch

Weg 2 Tafel 3 Kulturlandschaft und Mensch

Weg 2 Tafel 3 Kulturlandschaft und Mensch

 

Informationen zum Weg 2 Tafel 3 Kulturlandschaft und Mensch

Standort: Am Ortseingang von Lengfurt (von Erlenbach kommend)


 

Übersichtskarte: Kulturwanderwege Markt Triefenstein


Während wir uns die rasche Veränderung der Kulturlandschaft seit dem Zweiten Weltkrieg vor allem durch das Wachsen von Wohnbauten in Gemeinden und Städten vor Augen führen, wird die Triefensteiner Gemarkung durch die Zementfabrik in zweierlei Hinsicht geprägt: Von der weitläufigen Industrieanlage und ihrem Kalksteinabbau – beides Elemente der Kulturlandschaft, die vom Menschen gestaltet wurde und wird.

Lengfurt hatte durch den Fährverkehr und seine Lage an einer Fernstraße über viele Jahrhunderte
eine bevorzugte Stellung inne, lebte aber vorwiegend – wie fast überall vor der Industrialisierung
– von Wein- und Ackerbau. Rechts die Flurnamen, auch solche, die durch den Kalksteinabbau verschwunden sind.

Die Zementfabrik

Ab Mitte der 1890er Jahre hatten Spekulanten die rasch wachsende junge Portland-Cementindustrie entdeckt. Aufgrund des Bahnhofs in Trennfeld auf der gegenüberliegenden Mainseite, dem möglichen Schiffstransport sowie den großen Vorkommen an Kalkstein, war Lengfurt für Investoren interessant geworden.

Wie sich die Bilder gleichen:
Links LENGFURT: Der Vorstand vor dem neuen Werk mit zwei Ringöfen im Jahr 1901 und Arbeiter
im Steinbruch Lengfurt mit Schmalspurbahn im Jahr 1910.
Rechts HAILER (heute Stadtteil von Gelnhausen): Steinbrucharbeiter mit ihrem Chef – ebenso mit Schmalspurbahn und Ringofen im Hintergrund. Dort befindet sich heute ein Naturschutzgebiet.

Der Essener Kaufmann Wilhelm Keienburg, Grubenvorstand der Bergwerksgewerkschaft
„Wetterau“ in Weilmünster, hatte im westfälischen Ennigerloh eine Zementfabrik gegründet. Im Sommer 1899 kaufte er Gelände am Alten Berg in Lengfurt, doch ein Jahr später stellte sich heraus, dass er – wie in Ennigerloh – Gelder veruntreut und sich in die USA abgesetzt hatte. Das waren nicht die einzigen Schwierigkeiten. Ein Jahr nach der Grundsteinlegung musste ein Ringofen wegen Rissen in den Fundamenten abgetragen werden. Dadurch kam die „Wetterau“ in eine finanzielle Krise. In dieser Situation übernahm Friedrich Kirchhoff die Bergwerksgewerkschaft und rettete das Unternehmen.

Zwei Argumente für den Standort Lengfurt waren die Nähe zu den Transportwegen Main und Eisenbahn (Bahnhof Trennfeld), über die auch der Energieträger Kohle vergleichsweise
günstig herbeigeschafft werden konnte.

Eine Seilbahn transportierte Material vom und an den Bahnhof Trennfeld jenseits des Mains.

Insgesamt 130 Personen, darunter Kleinbauern mit großen Familien im Tagelohn, erarbeiteten sich hier einen Nebenverdienst, aber auch Handwerker, wie Sattler, Maurer, Schmiede, Schlosser und Küfer fanden eine Anstellung.

Der für die Gemeinde in der Weltwirtschaftskrise um 1930 errichtete Saalbau (Foto um 1950), der heute noch genutzt wird.

Unter Kirchhoffs Leitung erholte sich das Werk, das er erfolgreich modernisierte. 1922 verkaufte er es an die Portland-Cementwerke Heidelberg-Mannheim-Stuttgart AG und wechselte in deren Aufsichtsrat. Mitten in der Weltwirtschaftskrise stiftete Kirchhoff den Saalbau an der Würzburger Straße mit Festsaal, Bühne, Küche, Kegelbahn, Schützenstand und Hausmeisterwohnung. Für Lengfurt und die Nachbarorte waren der Saalbau sowie der Betriebssportplatz mit Leichtathletikanlage Einrichtungen, die seinerzeit auch in größeren Orten nicht üblich waren.

Ebenso änderte ab ca. 1900 sich einiges im Umfeld des Zementwerks:
Über den Main führte eine 642 m lange Seilbahn mit Fernsprechleitung. Sie beförderte 340 t Zement in zwölf Stunden zur Verladestation in Trennfeld und Kohle zurück zum Werk. 1904 wagte sich die Gemeinde Lengfurt mit der Wirtschaftskraft des Zementwerks im Rücken an den Bau der ersten Stahlbrücke über den Main.

In der Zeit nach 1945 wurde die Ofenanlage erneut modernisiert. Der
Absatz erfolgte jetzt zunehmend per LKW über die Straße und der Bahnanschluss in Trennfeld verlor an Bedeutung. 1965 hatte das Werk mit 480 Mitarbeitenden den höchsten Beschäftigten-Stand.

Neue Technik nach dem Zweiten Weltkrieg:
1953 wird ein Lepolofen in Betrieb genommen das Rohmehl bei 1.450 °C zu Zementklinker gebrannt wird.
Mit der Errichtung einer Wärmetauscherofenanlage im Jahre 1970 entstand mit dem weithin sichtbaren Turm des Vorwärmers eine neue Silhouette. Der Konjunktureinbruch durch die Ölkrise 1973 erzwang die Steinbruchmodernisierung durch leistungsfähige Großgeräte. Seit den 1980er Jahren flossen die Investitionen hauptsächlich in die Effizienz von Filteranlagen sowie in zusätzlichen Siloraum für Klinker und Zement.

Die Freiwillige Feuerwehr Lengfurt ist speziell für den Einsatz im Zementwerk ausgerüstet:
Der Mensch und die Kultur- (hier Industrie-) landschaft sind auch heute gerüstet: Die Industrielandschaft verlangt immer
wieder Anpassung vom Menschen

Die aktuelle Industrie- und Kulturlandschaft von Triefenstein (2010): Das Zementwerk prägt
Lengfurt seit über 100 Jahren, der Weinbau kultiviert den Kallmuth seit fast 1000 Jahren – wie wird es in im kommenden Jahrhundert aussehen?