Frau Holle wohnt im Markt Triefenstein
So wird es jedenfalls hier erzählt.
Finden Sie in diesem Bild Frau Holle?
Das Reich der Frau Holle
Auf der Anhöhe gegenüber von Lengfurt am Main liegt das ehemalige Augustiner-Chorherrenstift Triefenstein. Westlich davon, d.h. oberhalb des Gebäudekomplexes, führt der Mainwanderweg vorbei. folgt man ihm mainaufwärts, gelangt man nach knapp einem Kilometer auf einen Bergsporn, der im Osten und Nordosten durch den Steilhang zum Main und im Süden durch eine Schlucht, den Klingelsbachgraben, gebildet wird. Auf diesem Bergsporn stand einst die sagenumwobene Neuenburg. Doch was sich einst als beeindruckende Befestigungsanlage mit Wehrgraben, Vorburg, Hauptburg usw. darbot, ist heute nur noch als Wall- und Grabensystem im Gelände sichtbar. Auch von dem einstigen Landschaftspark, der sich von Triefenstein bis hierher erstreckte, haben sich nur wenige Spuren erhalten. In früheren Zeiten konnte man in dieser Gegend mitunter der Frau Holle begegnen.
Zu dieser Stelle führt der 1. Triefensteiner Kulturweg rechs des Mains und informiert die Wanderer.
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Sagen haben doch recht
Im Sommer 1989 bestätigten Ausgrabungen durch das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege” die Existenz der Neuenburg bei Triefenstein, die bis dahin zwar durch mehrere Sagen bekannt war, historisch aber nur vage und faktisch niemals nachgewiesen werden konnte. Die archäologischen Untersuchungen brachten zutage , daß es sich um eine Burganlage aus dem 12. bzw. 13. Jahrhundert handelt, die – davon künden die im Grabungsprofil entdeckten Brandschichten – von einer Feuersbrunst zerstört worden sein muß. Darüberhinaus ließen sich auch Spuren einer vorchristlichen (ca. 700-450 v.Chr.) sowie einer frühmittelalterlichen, befestigten Ansiedlung nachweisen.
Mag dieser Platz heute auch still und abgelegen erscheinen – in früheren Zeiten war er ein Verkehrsknotenpunkt mit strategisch äußerst reizvoller Bedeutung . Die Inhaber der Neuenburg konnten von ihrem Bergsporn aus die vorbeiführende “Via Publica” (sozusagen die mittelalterliche Version der A3 durch den Spessart) einschließlich deren Mainübergang bei Triefenstein/Lengfurt sowie den Verkehr auf dem Fluß bequem beobachten bzw. kontrollieren
In Anbetracht ihres angekratzten Images legte sich die verbleibende Sippe der Ravensburger einen neuen Namen – nämlich Reinstein – zu, bevor sie sich daran machte (freilich erst als ziemlich Gras über die Sache gewachsen war), ihre bezinnte Heimstatt wieder aufzubauen. So jedenfalls erklärt sich Chronist Fries den Besitzerwechsel nach dem Bau der neuen Neuenburg und zieht seine Schlußfolgerung aus der Wappengleichheit beider Geschlechter. Historisch verbürgt ist hingegen, daß sich die Ravensburger und ihre Mördergenossen alsbald soweit rehabilitiert hatten, daß ihnen von Hochstifts Gnaden ihre Ämter und Besitzungen wieder zuerkannt wurden, und daß die Herren von Reinstein nach dem letzten Atemzug des letzten männlichen Sprosses derer von Ravensburg dessen Erbnachfolge antraten. Das Dunkel in der Geschichte der Neuenburg und ihrer Bewohner weiter zu erhellen, wird die vergnügliche Arbeit der Historiker sein, die aufgrund der vorliegenden Befunde an schriftlichem und nun auch archäologischem Quellenmaterial einige neue Erkenntnisse zur mainfränkischen Landesgeschichte erwarten lassen darf.
Frau Holle in Deutschland
Frau Holle ist aufgrund des gleichnamigen Märchens der Brüder Grimm wohl eine der bekanntesten mythischen Gestalten überhaupt. Auch als Frau Hulle , Holda , Hulda oder Hullefrau tummelt sie sich vorwiegend in den Sagen aus Hessen , Thüringen und Unterfranken, während andernorts auch Name n wie Frau Gode, Frau Harke, Frau Luzia und viele andere gebräuchlich sind, bzw. eine andere mythische Gestalt, die Funktionen der Frau Holle übernimmt. So kennt man in Ober- und Mittelfranken, A1tbayern und Österreich die Bercht (oder Percht , Eisenberta. Berchra u.a.). Ein früher Beleg für die Existenz Frau Holles findet sich bei Burchard von Worms (um 960-1025) , der den Namen der altitalischen Göttin Diana mit Holle bzw. Holda übersetzte. In mehreren mittelhochdeutschen Texten um das Jahr 1200 erscheint das Wort Holde/Holle als Synonym für Geist bzw. Dämon. Im Laufe des Christianisierungsprozesses wurde dann aus der antiken Göttin des Waldes und der Jagd eine Dämonin, Nachtfrau und Hexe.
Frau Holle im Spessart
In den Triefensteiner Sagen tritt Frau Holle stets als Wohltäterin auf, und sie ist es auch, die an des Wilderers Hasenstab Wiege singt. Doch tatsächlich zeichnet sich das Frau-Holle-Bild in der Volksüberlieferung durch ambivalente Charakterzüge und Erscheinungsformen aus; es reicht von der guten Fee bis hin zur Angst und Schrecken verbreitenden Rachegestalt; von der schönen weißen oder lichtumstrahlten Frau bis hin zum hässlichen alten Weib. Dem Volksglauben nach wohnt Frau Holle in Brunnen, Seen, in Bergen, Höhlen oder aber unter Bäumen, die nach vorchristlichen Glaubensvorstellungen als Sitz von Geistern und Göttern galten. In der Nähe von Wertheim, in der Gemarkung von Höhefeld, soll sogar einst ein “Frauen Hullen Baum” gestanden haben, wie der Wertheimer Archivar und Sagenforscher Alexander Kaufmann in einem Protokoll von 1749 und in alten Karten verzeichnet fand” Es handelt sich hier um Bäume (die auch aus anderen Gegenden im deutschsprachigen Raum bekannt sind), die einst als eine Art Grenzmarkierung dienten. In den zwölf heiligen Nächten zwischen Weihnachten und Dreikönig, den sog. Rauhnächten, zieht Frau Holle mit ihrem Gefolge umher, um die Frevler und Faulen zu bestrafen. Sie tritt aber auch als Vegetationsdämon auf, der den Feldern Fruchtbarkeit bringt, über Arbeitstabus wacht (Feiertage) und generell eng mit der Frauenarbeit und bäuerlichen Arbeitswelt verbunden ist. Oder aber sie ist ein Schutzdämon der Quellen und Seen im Walde.
Gute Fee und strafende Alte
Zentrum für die Spessarter Frau-Holle-Sagen ist Hasloch am Main, wo der Wertheimer Lehrer und Zeichner Andrea s Fries (1811-1890) frühzeitig als Sagensammler unterwegs war.” Sie wohnt dort im Unteren Berg. Am Fuße dieses Berges, am Mainufer, lag früher ein flacher Felsen, genannt der. Frau Hullstein”, weil zwei Vertiefungen darin von den Abdrücken ihrer Kötze (Rückentragekorb) herrühren sollten, wenn sie diese beim Ausruhen neben sich stellte. Leider wurde dieses Beweisstück in den 30er oder 40er Jahren wegen Anlegung eines Tankhafens weggesprengt.“
Frau Holle trägt in den Sagen meist ein langes, weißes Gewand mit einem Schleier, der am Rücken hinab hängt. Manchmal aber auch ganz das Gesicht verhüllt”. Sie hilft den fleißigen Mädchen und Frauen bei der Hausarbeit, leuchtet nachts den Verirrten ohne Laterne, den “wo sie geht und steht, ist es glockenhell …”. Doch treibt sie auch bösen Scherz mit denjenigen, die ihre Gebote missachten oder ihre Hilfe abweisen bzw. faul sind. Besonders ungehalten zeigt sie sich, wenn der Spinnrocken Samstagabends nicht völlig abgesponnen ist. Dann kommt sie und verwirrt nachts Rokken und Garn. Faule Mägde, die über Weihnachten ihren Rocken stehen lassen, haben das ganze Jahr nur Unglück, besonders verwirrt sich ihnen das Garn. Alten schwachen Frauen ist sie vor allem geneigt. Bei Urphar, wo sie “die gute Fraa” oder die Fey” genannt wurde , schwebt sie an der großen Mainbiegung über den Fluss und warnt die Schiffer vor Gefahr. Manchmal reitet sie auf einem Schimmel, dessen Sattel und Zaumzeug silberne Röllchen und Glöckchen tragen und ein wunderschönes Geläute geben, oder sie fährt in einem goldenen, bekränzten Wagen.
Im gesamten Spessart kannte man Frau Holle auch als .Hullefraache”, die den Kindern am Weihnachtsabend Hutzeln (gedörrte Birnen) , Äpfel und Nüsse brachte . Bei dieser Gelegenheit trat sie als kleine , alte Frau mit weißer Haube auf.
Erinnerungen an Frau Holle
Außer in angestaubten Sagen begegnet uns Frau Holle heute nur noch selten . Flurnamen wie Hollegrund (Schweinheim), Zur Frau Holle (Haibach), Hollerwiesen oder Holleracker (Laufach z.B.) weisen auf etwaige einstige Tummelplätze hin und ein alter Kinderreim aus Rück zeugt von der großen Popularität, die diese Sagengestalt im Spessart genoss: “Frau Hulle hat mir ein Dippchen geben, darin kann ich kochen , Sauerkraut und Knochen .”
Buch
Ein Buch über die Sagen und Märchen aus unserer Region können Sie im Rathaus der Gemeinde Triefenstein in Lengfurt für 8,-€ erwerben.
Von Aufhockern, schönen Frauen und anderen Dämonen, Spessartsagen auf der Spur
Barbara Grimm, Rüdiger Kuhn, Herausgeber: Wolfgang Weismantel,
Verlag: Könighausen & Neumann, Würzburg 1995, ISBN 3-82601148-1