Bocksberg

Am südöstlichsten Zipfel des Spessarts liegt als kahle Höhe der unscheinbare Bocksberg,
nahe der Ortschaften Rettersheim und Unterwittbach.

Bocksberg

 

 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 

Der flache Bocksberg bei Unterwittbach im landwirtschaftlich geprägten, südöstlichen Spessart, aufgenommen am 16.05.2005

Steinbruchsohle

 

Hier wurde in einem weitläufigen und sehr flachen Steinbruch Kalk abgebaut.

Geologie Kallmuth-Bocksberg

Geologie Kallmuth-Bocksberg

Natur am Bocksberg, die Küchenschelle

Natur am Bocksberg, die Küchenschelle

Geologische Besonderheit im Sandstein – der Bocksberg in Triefenstein-Rettersheim

Der Bocksberg gilt als das westlichste Muschelkalkvorkommen von Bayern und das einzige innerhalb des Mainvierecks. Erdgeschichtlich entstanden ist der Bocksberg vor rund 240 Millionen Jahren, als Rettersheim und seine Umgebung von einem Meer bedeckt waren. In dieser Zeit des „Muschelkalks“ lagerten sich zum Teil über 200 Meter dicke Kalk- und Tonschichten ab. Der Bocksberg ist ein Überbleibsel dieser Periode.

Ursprünglich bezeichnete „Bocksberg“ einen ca. 20 Hektar großen Acker, der ehemals zum Kloster Triefenstein gehörte und der bis in das 19. Jahrhundert hinein teilweise bewaldet war. Die Rettersheimer Ziegler bauten bis zum Zweiten Weltkrieg am Bocksberg das Rohmaterial für den Kalkbrand ab. Kalkschotter wurde für den Autobahnbau vom Bocksberg wegtransportiert. Heute gehört der offen gelassene Steinbruch zur Schutzzone des Naturparks Spessart mit zum Teil seltenen Pflanzen wie Küchenschelle, Fransen-Enzian, Gold-Distel oder Deutscher Ziest.


Lage

Ehemaliger, weitläufiger und flacher Kalksteinbruch (Unterer Wellenkalk über dem Grenzgelbkalk) auf dem Bocksberg NE Unterwittbach (TK 6123 Marktheidenfeld, R 4080 H 1890, siehe Okrusch et al. 2011, S. 275, Aufschluss Nr. 254). Auf der Straße Kreuzwertheim-Marktheidenfeld bis zur Abzweigung nach Oberwittbach (zwischen km 7 und 6), dort nach rechts in Richtung SE zu der flachen, ausgedehnten Bruchanlage.
Der Steinbruch mit den sehr wenigen und niedrigen Felsen ist sicher seit 1980 oder früher aufgelassen und teilweise verfüllt. Das Geläde ist inzwischen mit einer typischen Kalkflora verwachsen und als Naturdenkmal geschützt. Es wurde dort ein Hochbehälter für die öffentliche Wasserversorgung errichtet. Die beginnende, krautige und sehr kümmerliche Vegetation zeichnet auf der ebenen Bruchsohle das Kluftnetz nach. Auf den wenigen mineralisierten Kluftflächen kann man etwas Calcit erkennen; stellenweise ist auch erdiger Goethit zu finden.

Kalkfelsen
Einer der wenigen noch sichtbaren Felsen von ca. 2 m Höhe

Der Steinbruch ist seit langer Zeit im Abbau. Hier wurden in der Ziegelei im nahen Rettersheim zu den Ziegeln auch der Kalk in einem Schachtofen gebrannt. Die erste Erwähnung stammt aus dem Jahr 1695, als man in den Folgejahren – bis 1803 – für das Kloster in Triefenstein Kalk brannte. Der Kalkstein zum Brennen wurde am nahen Boxberg gewonnen, den man dafür entwaldete. Die daraus entstandene Ziegelei  der Familie Nöth bestand von 1868 bis 1951. Noch 1919 wurde außerhalb des Ortes ein einfacher Schachtofen1 erbaut. Seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts wurde statt Holz zum Brennen Kohle oder Koks verwendet, der mit der Bahn ab Trennfeld geliefert werden konnte. Da der Kalkstein von Bocksberg wenig Eisen und Ton enthielt, konnte auch weißer Kalk zum Tünchen gebrannt werden. Die Verwendung des Grenzgelbkalks mit seinem deutlichen Fe- und Mg-Gehalt führte zum schwarzen Kalk, der zu Mauermörtel verarbeitet wurde (MÜLLER et al. 1998:272ff).

Geologie

Bei dem grauen, bröckeligen Kalk handelt es sich um ein Sediment des Muschelkalkmeeres, welches vor ca. 240 bis 232 Millionen Jahren hier über dem Spessart lag.
Es überflutete nach der Ablagerung des Buntsandsteines weite Teile des heutigen Deutschlands. Die Ablagerungen beginnen über den obersten (jüngsten) Schichten des Buntsandsteins mit einer auffälligen, gelblichen, harten Lage aus Kalk („Grenzgelbkalk“, die man nicht im Steinbruch selbst, sondern nur auf den umliegenden Feldern als Lesesteine finden kann).

Darauf folgen dünne, merkwürdig wellig aussehende Schichten des Unteren Wellenkalkes (treffender Name!). Diese sondern sehr leicht plattig ab und bilden kaum dickere Einzelschichten als 5 cm. Die Schichtoberflächen (bzw. auch deren Unterseiten) sehen durch unregelmäßige, napfförmige Vertiefungen auf den Steinbruchsohle „pockennarbig“ aus. Das nach der Verfestigung entstandene Kluftnetz wird durch den sehr spärlichen Pflanzenwuchs nachgezeichnet, da an den Klüften mehr Wasser als auf den kahlen Flächen zur Verfügung steht. Der gesamte Muschelkalk hatte einst eine Mächtigkeit von ca. 100 Meter.

Kluftnetz in der Steinbruchsohle angeschliffener Kalk
Die Steinbruchsohle mit den Vertiefungen; der Kalk ist im Schliff marmoriert (Bildbreite ca. 10 cm) und zeigt die Spuren von Rutschungen.

Hier geht man auf ehemaligem Meeresboden umher!

Es sind die Ablagerungen eines tiefen Meeres, welches nicht durch Lebewesen umgeschichtet wurden und die durch Rutschungen und unterschiedliche Kompaktion dieses Aussehen erhielten. Der Kalk selbst besteht aus den zahllosen und winzigen Hartteilen von marinen Lebewesen, die nach dem Absterben auf den Meeresgrund sanken. Daraus wurde ein schlammiges Sediment, welches mit zunehmender Dicke zusammensackte und entwässert wurde. Mit dem Anwachsen der Kalkschicht wird der Druck in den darunter liegenden Lagen größer und das Gestein wird auch durch Lösung und Wiederausscheiden von Calcit zu einem festen Gestein. Darüberhinaus kann auch Magnesium zu- oder abgeführt werden.
Kalkbrocken im Steinbruch Kalk, angeschliffen und poliert
Der Kalk ist außen unscheinbar Bildbreite ca. 50 cm); im Schliff rechts offenbart sich ein geflecktes Inneres mit den zahlreichen Rissen,
Bildbreite ca. 12 cm

Und wie ging es weiter? Nach dem Ablagern von ca. 100 m Kalk wurden nochmals ca. 700 m Sedimente des Keuper abgelagert; ihm folgten die Meeressedimente des Juras. Ob diese jedoch auch im Spessart je vorhanden waren, weiß man nicht, da keine Reste mehr davon zu finden sind. Während des Kreidemeeres war der Spessart bereits sicher eine Abtragungsgebiet.

Die höheren und damit jüngeren Schichten des Muschelkalkes sind hier wegerodiert worden und lassen sich nur noch auf der von hier aus im Osten sichtbaren (bei schönem Wetter) Wand des Kalmuth bei Homburg studieren.

Das kleine und heute isolierte im Spessart liegende Vorkommen belegt, dass die Sedimente des Muschelkalkes einst eine größere Verbreitung hatte, als man sie heute noch finden kann. Infolge der ostwärts geneigten Verkippung des Spessarts wurden sie zuerst im Westen wegerodiert, so dass die Ausdehnung nach Westen – bis nach Aschaffenburg? – nur vermutet werden kann.

Fossilien

Der Beweis sind die wenigen Fossilien aus Brachiopoden, Schnecken und Seeigelstacheln. Es handelt sich um Steinkerne, bei denen die harte Schale weggelöst wurde und das Sediment im Innern die Form überliefert hat. Sie sind zudem schlecht erhalten und meist verdrückt. Diese fossilen Überreste sind nicht sammelwürdig und infolge des seit langem ruhenden Abbaues sind kaum mehr Funde möglich, da die Fossilien in diesen Schichten des Muschelkalkes selten und die Flächen weitgehend abgesucht sind.

Brachiopodenabdrücke Steinkerne von Brachiopoden
Brachiopoden (?) als Schalenabdrücke (links ca. 14 cm breit), rechts Steinkerne ca. 7 cm breit

Schill-Lage aus Steinkernen
Lage aus einem Schnecken- und Muschelschill mit Seeigelstacheln bestehend aus
Steinkernen. Die eigentlichen Schalen wurden weggelöst, so dass nur noch die
Sedimentfüllungen erhalten sind,
Bildbreite ca. 20 cm.

Weitere Informationen über die Geologie finden sie hier: www.spessartit.de


Sie können den Bocksberg auch auf einer kleinen Wanderung besuchen. Sie Starten einfach in Rettersheim.

Wenn sie noch mehr von der Gegend sehen wollen, nehmen sie den rechtsmainischen Kulturweg.

Weitere Informationen bekommen Sie in der Ortschronik Rettersheim